Unwahres und wissenschaftlich Zweifelhaftes im revidierten Artikel von Prof. Brügelmann

0. Einleitung

Professor Hans Brügelmann hat als Reaktion auf die von mir geäußerte inhaltliche Kritik zwei am 15.05.2015 veröffentlichte Artikel von der Domain www.die-grundschrift.de zurückgezogen und durch einen inhaltsähnlichen Artikel, datierend vom 14.06.2015, ersetzt. Weiterhin schreibt Brügelmann eine Stellungnahme zu der von mir geäußerten Detailkritik an der seiner Vorgängerversion des Artikels. In der von Brügelmann revidierten Artikelversion finden sich weiterhin Fehler und unwahre Aussagen, die hier in Kap. 1 dargestellt werden.

In Kapitel 2 werden dann Aussagen und Wertungen von Brügelmann (2015c) zu Studien, die er im revidierten Artikel in einem tabellarischen Überblick auflistet, einer eingehenden Analyse unterzogen. Er selbst betont die Notwendigkeit von Gewichtung und Bewertung empirischer Studien:

„Da die verfügbaren empirischen Befunde alle unter forschungsmethodischen Einschränkungen leiden (s. die Hinweise unten und Taubert 2015), müssen sie gewichtet und argumentativ bewertet werden.“ (Brügelmann, 2015c, S. 2)

Wir werden jedoch sehen, dass Brügelmann Gewichtung und Bewertung von Studien auf höchst eigenwillige Art und Weise betreibt und das Fazit einer Analyse seines Artikels bestürzend ausfallen muss.

1. Fehler und Unwahres in der Artikelversion vom 14.06.2015

1.1 Anzahl von Untersuchungspersonen bei Jackson (1971) weiterhin falsch dargestellt

Brügelmann berichtigt seine Darstellung zu Jackson (1971) wie folgt:

„Es ist richtig, dass zwei Stichproben zu unterscheiden sind: 165 Schüler_innen haben an der Untersuchung teilgenommen. Aus dieser Grundgesamtheit wurden pro Schule (=Schreiblehrkonzept) für die Jahrgänge 4, 5 und 6 jeweils 18 Schüler_innen nach Zufall gezogen, d. h. insgesamt 108 in die Auswertung einbezogen.“ (Brügelmann, 2015b)

Obwohl auch nur 108 Schriftproben in die Lesbarkeitsuntersuchung einbezogen wurden (vgl. Jackson, 1971, S. 49) findet sich auch in der korrigierten Artikelversion vom 14.06.2015 in der Darstellung der Studie weiterhin die Teilnehmeranzahl von 165 Untersuchungspersonen (vgl. Brügelmann, 2015c: 5).

1.2 Die Untersuchung von Schreibdruck bei Mai (1991) wird weiterhin behauptet

Brügelmann (1995b) korrigiert sich hinsichtlich der Darstellung der Untersuchungsergebnisse von Mai wie folgt:

„Es ist richtig, dass Mai in seiner Auswertung (1991) keine eigenen Daten zum Schreibdruck berichtet, sondern sich für diesen Aspekt auf eine frühere Untersuchung von Denier van der Gron[sic!]/ Thuring (1965) bezogen hat.“ (Brügelmann, 2015b; Falschschreibung im Original)

Dennoch ordnet er auch in der Neufassung seines Artikels die Untersuchung von Schreibdruck weiterhin der Untersuchung von Mai (1991) zu:

„Mai (1991, vgl. ergänzend Mai u.a. 1997 und Mai/Marquardt 1998) berichtet über eine Laborstudie mit 11 Erwachsenen und einem Kind, in der Schreibbewegung und -druck im Detail untersucht wurden, allerdings beschränkt auf Mikroanalysen, also nicht beim Schreiben größerer Texte.“ (Brügelmann, 2015c: 5)

Eine derart schlampige Veröffentlichungspraxis ist als unverantwortlich zu bewerten, fügt sich jedoch nahtlos in seine bereits im Vorartikel (Brügelmann, 2015a) erkennbar oberflächlich-ungenaue und unwahre Aussagen nicht scheuende Formulierungsweise. Da Brügelmann höchstpersönlich die Unrichtigkeit seiner Aussage im oben angeführten Zitat eingesteht, muss eine erneute unwahre Behauptung zum Topos Schreibdruck bei Mai (1991) als Bereitschaft zur Lüge oder wahlweise als extreme Oberflächlichkeit gewertet werden.

1.3 Fehlerhafter Summenwert zu Schreibdruck in Tabelle 2

Obwohl die Tabelle 1 von Brügelmann (1995c: 2) nur zwei Untersuchungen zu Schreibdruck anführt (eine gewertet mit + und eine gewertet mit o), findet sich in der Summenspalte von Tabelle 2 (ebd.) die Anzahl von zwei mit + gewerteten Untersuchungen zum Schreibdruck. Tabelle 2 stellt in der Kategorie Schreibdruck somit einen unwahren Sachverhalt dar.

2. Zur zweifelhaften Interpretation von Studien durch Prof. Brügelmann

2.1 Fehlerhafte und unausgewogene Darstellung der Studie von Kimmins (1916)

In der tabellarischen Auflistung von Brügelmann (2015c: 2) findet sich an erster Stelle die Studie von Kimmins aus dem Jahr 1916, die Brügelmann mit einem Pluszeichen in der Spalte Schreibgeschwindigkeit für teilverbundenes Schreiben wertet. Seine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse von Kimmins, bei der er sich anscheinend auf Sekundärliteratur stützt, lautet wie folgt:

„Eine der ersten Untersuchungen stammt von Kimmins (1916) in England verglich die Schreibgeschwindigkeit von 2.000 Schüler/inne/n und fand, dass in Druckschrift deutlich mehr Buchstaben pro Minute geschrieben wurden (nach: Bradley 1988, 90).“ (zit n. Brügelmann, 2015c: 5; grammatische Unkorrektheit im Original)

Sieht man sich die Ergebnisse von Kimmins (1916) genauer an, zeigen sich mehrere Abweichungen zur Darstellung Brügelmanns: Die Menge der untersuchten Druckschriftschreiber ist mit einer Gesamtanzahl von 186 untersuchten Schülern beiderlei Geschlechts nicht besonders groß. Sie wurde gegen eine über 20fach größere und damit auch repräsentative Stichprobe von Schülern/Schülerinnen gesetzt, die in der damals üblichen verbundenen Schulschrift in schrieben. Die Stichprobengröße für die Druckschrift ist somit alles andere als beeindruckend und die von Brügelmann beschriebene Untersuchungsgröße von 2000 Schülerinnen angesichts der tatsächlichen Stichprobengrößen nicht nur falsch, sondern grob verfälschend.

Weiterhin zeigt die Tabelle, dass die von Brügelmann behauptete Überlegenheit der Druckschrift hinsichtlich der durchschnittlichen Menge der geschriebenen Buchstaben nur für die Altersklassen 7, 8 und 9 Jahre zutrifft. Ab dem Alter von zehn Jahren dreht sich der Trend um und für die Altersstufen 11 und 12 Jahre werden dann höhere Mittelwerte für das verbundene Schreiben belegt. Es besteht die Möglichkeit, dass besonders die älteren Druckschriftschreiber als Umlerner, diesen Schreibstil noch nicht besonders lange (längstens 3 Jahre) schrieben und Geschwindigkeitsnachteile ggf. hieraus resultieren (vgl. hierzu Kimmins, 1916: 63f.). Wie Brügelmann es schafft, in seiner Wertung aus den Studienergebnissen von Kimmins einen klaren Vorteil für das Schreiben von Druckschrift aus den Studienergebnissen von Kimmins abzuleiten, ist höchst rätselhaft und bedarf klärender Erläuterungen, da die Ergebnisse von Kimmins (1916) in der Brügelmannschen Nomenklatur genaugenommen eine +/- Wertung erfordern würden.

2.2 Einbeziehung der Untersuchung von Marquardt, Wetzel & Mai (1996)

In seiner Artikelrevision muss Brügelmann seine unwahre Behauptung zurücknehmen, dass Mai (1991) Schriftdruck untersucht habe. Somit verbliebe ohne Ersatz in seinem tabellarischen Überblick nur noch Untersuchung von Wicki/ Hurschler-Lichtsteiner (2014), die keine schriftstilbedingten Unterschiede beim Schriftdruck feststellt. Das ist natürlich keine vorteilhafte Datenlage für das von Grundschriftbefürwortern immer wieder gerne angeführte Argument, dass die Grundschrift hinsichtlich des Schreibdrucks deutliche Vorteile aufweise ("Luftsprungthese").

Daher führt Brügelmann nun eine Untersuchung von Marquardt, Wetzel & Mai (1996) an, über die Mai & Marquardt (1998) in äußerst reduzierter Form wie folgt berichten:

„In einer neueren Untersuchung konnte gezeigt werden, dass auch routinierte Schreiber bei längeren Wörtern den Schreibdruck erhöhen, aber nur unter der Bedingung, dass alle Buchstaben miteinander verbunden werden müssen (Abb. 6A). Weiterhin war unter dieser Bedingung eine deutlich verminderte Schreibgeschwindigkeit (Abb. 6B) und ein verminderter Automationsgrad der Bewegungen (Abb. 6C) zu beobachten. Keine Unterschiede fanden sich hingegen beim Schreiben langer Wörter, wenn die Buchstaben nicht miteinander verbunden werden mussten (Marquardt et al, 1996b). Eine Erhöhung des Schreibdrucks und eine Störung des Bewegungsablauf scheint demnach nicht direkt an die Wortlänge selbst geknüpft, sondern wird erst durch einen inadäquaten Schreibstil verursacht.“ (zit. Mai & Marquardt, 1998: 91)

In einer Erläuterung zu einer Graphik beschreiben Mai und Marquardt die Untersuchungsdurchführung wie folgt:

„(A) Mittlerer Schreibdruck, (B) mittlere Schreibgeschwindigkeit und (C) Automationsgrad von 20 routinierten Schreibern beim Schreiben kurzer ("men") und langer ("mehelmen") Wörter unter folgenden Bedingungen: normal - kurzes Wort in normaler Handschrift, blind- kurzes Wort mit geschlossenen Augen, lang - langes Wort normal geschrieben, verbunden - langes Wort verbunden geschrieben, nachzeichnen - kurzes Wort von der Bedingung "normal" nachgezeichnet. Ausgewertet wird jeweils die Silbe "men"“ (zit. n. Mai & Marquardt, 1998, S. 91)

2.2.1 Die Studie von Marquardt/Wetzel/Mai (1996) als „Graue Literatur“

Bereits im Literaturverzeichnis von Mai und Marquardt (1998: 99) findet sich zur oben genannten Studie keine Seitenangabe sondern der folgende bibliografische Verweis: „Marquardt C., Wetzel T., Mai N.: (1996 b) Control auf pressure in skilled handwriting: Abstracts of the 4th International Congress of Movement Disorders, Wien. Movement Disorder: 11. Suppl. 1“ (vgl. Mai und Marquardt, 1998: 99).

Die fehlende Seitenangabe lässt bereits stutzen, und der Originaltext (vgl. Movement Disorders: 11, Supplement 1, S. 46) erweist sich als eine viertelseitige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ohne Darstellung von methodischen Details. Die Literaturstelle verweist somit am ehesten auf eine Zusammenfassung eines mündlich gehaltenen Vortrags auf dem Kongress oder stellt eine schriftliche Zusammenfassung einer Posterpräsentation dar.

Dies wiederum bedeutet, dass die Untersuchung von Marquardt, Wetzel & Mai (1996) in keinem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wurde. Mit hoher Wahrscheinlichkeit besitzt die Studie auch nicht die qualitativen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Studie nicht veröffentlicht wurde, besteht darin, dass sie nicht im Publikationsverzeichnis von Dr. Christian Marquardt aufgeführt ist (link zum Publikationsverzeichnis).

Die Untersuchungsmethodik dieser Studie ist daher nirgends hinlänglich dargestellt und wird auch in der Veröffentlichung Mai & Marquardt (1998) nur oberflächlich beschrieben.

2.2.2 Fazit zur Untersuchung von Marquardt, Wetzel & Mai (1996)

Die Studie von Marquardt, Wetzel & Mai (1996) weist mehrere Nachteile und Einschränkungen auf:

Angesichts der Tatsache, dass insbesondere Mai in anderen Veröffentlichungen dadurch auffällt, in der Ergebnisinterpretation von Untersuchungen den untersuchten Gegenstandsbereich weit zu überziehen (vgl. hierzu Quenzel/ Mai 2000 sowie Mai 1991) wäre äußerste Zurückhaltung bei der Studienbewertung angebracht.

Wie Brügelmann dazu kommt, einer Untersuchung, die in keiner wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlich wurde und deren mögliche methodische Mängel nicht geklärt werden können, den Status einer wichtigen Untersuchung zuzugestehen, ist erklärungsbedürftig. Sein Vorgehen kann als oberflächlich eingestuft werden. Die Einbeziehung und eindeutige Wertung dieser Studie durch Brügelmann muss daher stark in Frage gestellt werden

2.3 Die Bewertung der Studie von Jackson (1971) zu Lesbarkeit

Zur Lesbarkeit von Druck gegenüber verbundener Schrift wertet Brügelmann die Studie von Jackson mit einem geklammerten Plus zugunsten der Druckschrift (vgl. Brügelmann, 2015c: 2). Er zitiert dabei die gegenüber der Ergebnisdarstellung (vgl. Jackson, 1971, S. 86f) deutlich tendenziöser ausfallenden "Schlussfolgerungen" von Jackson (1971. S. 91) aus dessen Dissertation:

„2. Handwriting written in the manuscript style was judged by the panel of jurors to be more legible than handwriting written in the cursive style; however, the difference in legibility was not statistically significant. […] 4. As indicated by the time needed for university students to read selections of pupils' handwriting, the manuscript style of handwriting proved slightly easier to read than the cursive style of handwriting although the difference was not significant. “ (Jackson, 1971. S. 91 zitiert nach Brügelmann, 2015c: 5)

Im Vergleich eines abgeschriebenen Paragraphen ergeben sich bei der Bewertung durch 5 Juroren Mittelwertsunterschiede zwischen den beiden Schriftstilen über alle 3 Klassenstufen (Mittelwert für das verbundene Schreiben 90,93; Mittelwert für das Druckschriftschreiben: 96,09; vgl. Jackson, 1971, S. 60, Tabelle 8) jedoch errechnete sich hieraus keine statistisch bedeutsame Diskrepanz. Das Ergebnis ist somit nicht verlässlich interpretierbar, jedoch liefert Jackson selbst eine mögliche Erklärung für das Zustandekommen der vergleichsweise hohen Mittelwertsdifferenz durch eine auffällig langsame Schreibgeschwindigkeit bei den Druckschrift schreibenden 6.Klässlern, die gleichzeitig die höchsten Leserlichkeitswertungen zugesprochen bekamen:

„The F value of 4.13 obtained when legibility of pupils' handwriting was compared by grade level is significant at the .05 level. An examination of the mean legibility scores reveals that legibility increased as grade level increased. The greatest growth in legibility was among sixth grade pupils using the manuscript form of writing. As their speed decreased their legibility improved.“ (Jackson, 1971, S. 78)

Die folgende Tabelle fasst Messwerte aus den Tabellen 19 und 23 zusammen, die Jackson zur oben getätigten Annahme führen:

Brügelmann müsste also, wenn er die Erklärung von Jackson ernst nimmt, begreifen, dass die numerische Mittelwertdifferenz mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Testartefakt geschuldet ist. Daher ist es nicht gerechtfertigt, die Mittelwertsunterschiede als deutliche Tendenz zugunsten eines Druckschriftschreibens zu werten.

Bei der benötigten Lesezeit für die abgeschriebenen Textabschnitte ergaben sich folgende Mittelwerte (Verbundene Schrift 22,93 Sek.; Druckschrift: 22,26 Sek.; vgl. Jackson, 1971, S. 64). Die Mittelwertsdifferenz bei der benötigten Lesezeit von 0,67 Sekunden erwies sich ebenfalls als statistisch nicht signifikant und kann hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz guten Gewissens als marginal und unbedeutend eingestuft werden. Daher rechtfertigt auch dieser Mittelwertsunterschied nicht eine Wertung im Sinne einer tendenziellen Überlegenheit des Druckschriftstils.

2.4 Tendenziöse und falsche Darstellung der Ergebnisse von Morin et al. (2012)

Die Untersuchung von Morin et al. (2012) kann als eine der qualitativ hochwertigeren Untersuchungen der letzten Jahre bezeichnet werden. Dies leitet sich aus der großen Anzahl von Untersuchungspersonen (715 untersuchte Zweitklässler) her wie auch aus einem recht breit angelegten Überblick, der Buchstabenschreiben, Wortschreibung und das Abfassen eines kleinen Textes umfasst. Interessant ist, wie Brügelmann diese Ergebnisse in seinem tabellarischen Überblick darzustellen versucht. Zum einen fällt auf, dass Morin et al. (2012) die einzige Untersuchung darstellt, die die Kategorie Text-Sprachqualität belegt. Weiter fällt auf, dass die Symbolkategorie Tilde (~ mit der Bedeutung "je nach Dimension unterschiedlich") ausschließlich für die Untersuchung von Morin et al. (2012) in der Kategorie Text-Sprachqualität zur Anwendung kommt. In den folgenden Kapitel werden die originalen Aussagen von Morin et al. 2012 und die Interpretationen durch Brügelmann tabellarisch gegenübergestellt.

2.4.1 Lesbarkeit auf der Ebene von Einzelbuchstaben

Morin et al. (2012) Brügelmann (2015c)
Der Schreibstil hat keinen signifikanten Effekt auf die Lesbarkeit von geschriebenen Einzelbuchstaben. (vgl. ebd. S. 117) „Lesbarkeit: keine Unterschiede“ (zit. Brügelmann (2015c: 7) Kommentar: Durch die Unterschlagung der Aufgabenstellung (Buchstabenschreiben) bekommt die Aussage etwas Übergeneralisierendes und leitet den Leser dadurch in die Irre.

2.4.2 Schreibgeschwindigkeit auf der Ebene von Einzelbuchstaben

Morin et al. (2012) Brügelmann (2015c)
Den signifikant größten Mengenzuwachs (p < 0.05) zwischen Testzeitpunkt 1 und 2 hatte der Druckschriftstil, und lag mit einem Mittelwert von 30,07 mit dem gemischten Schreibstil (Mittelwert 30,38) zum zweiten Testzeitpunkt nahezu gleichauf. Demgegenüber zeigte der kursive Schreibstil am zweiten Testzeitpunkt eine signifikant geringere Menge beim Buchstabenschreiben (p < 0.001; Mittelwert 25,42) als Druckschriftstil und auch gemischter Schreibstil. „Geschwindigkeit: DRUCKSCHRFIT größte Beschleunigung über die 2. Klasse hinweg, VERBUNDENE Schrift am langsamsten (…)“(zit. ebd. S. 7; Falschschreibung im Original)
Kommentar: Durch die Unterschlagung der Aufgabenstellung (Buchstabenschreiben) bekommt die obige Aussage etwas Übergeneralisierendes. Dadurch, dass Brügelmann später die statistisch signifikanten Mengenvorteile bei der Wortschreibeaufgabe (s.u.) unerwähnt lässt, wird die übergeneralisierende Charakter seiner Formulierung auch später nicht mehr relativiert.

2.4.3 Anzahl korrekt geschriebener Wörter bei der Wortschreibeaufgabe

Morin et al. (2012) Brügelmann (2015c)
Druckschriftstil und verbundener Schreibstil haben einen signifikant größeren Mengenzuwachs (p < 0.05) zwischen Testzeitpunkt 1 und 2 als der gemischte Schreibstil. Zum zweiten Testzeitpunkt weist der verbundene Schreibstil gegenüber dem Druckschriftstil (p < 0.05) und gegenüber dem gemischten Schreibstil (p < 0.001) eine signifikant höhere Wortanzahl auf. (vgl. ebd. 117) „Zahl richtig geschriebener Wörter: GEMISCHT und VERBUNDEN gleiche Zuwächse, DRUCKSCHRIFT die geringsten;“ (zit. ebd. S. 7)
Kommentar: Zunächst ist die Aussage über gleiche Zuwächse beim gemischten Schreibstil (1,83) und beim verbundenen Schreibstil (2,89) schlichtweg falsch. Brügelmann berichtet in seiner Darstellung nicht über die signifikante Diskrepanz beim Mengenzuwachs für den Druckschriftstil und den verbundenen Schreibstil gegenüber dem gemischten Schreibstil. Er unterschlägt in seiner Darstellung den für seine tabellarische Auflistung in der Kategorie „Schreibgeschwindigkeit“ bedeutsamen signifikant ausfallenden Mengenvorteil für den verbundenen Schreibstil und kommt dadurch zu einer einseitigen und letztlich unwahren Wertung.

2.4.4 Verfassen eines Textes: Syntax (Grammatische Korrektheit)

Morin et al. (2012) Brügelmann (2015c)
Ausschließlich der verbundene Schreibstil zeigt einen signifikanten Zuwachs bei der grammatischen Qualität (Syntax). Weiterhin schnitt der verbundene Schreibstil am 2. Testzeitpunkt gegenüber dem Druckschriftstil (p < 0.001) und dem gemischten Schreibstil (p < 0.01) signifikant besser bei der Syntaxleistung ab. „Eigener Text: In der Syntax VERBUNDEN die größten Zuwächse“ (zit. eb.d S. 7)
Kommentar: Die von Brügelmann gewählte Formulierung „größten Zuwächse“ impliziert, dass es auch weniger große Zuwächse bei den anderen Schreibstilen gegeben habe, was inhaltlich inkorrekt ist. Weiterhin unterschlägt Brügelmann das statistisch signifikant bessere Abschneiden des verbundenen Schreibstils gegenüber den beiden anderen Stilen.

2.4.5 Verfassen eines Textes: Wortmenge

Morin et al. (2012) Brügelmann (2015c)
Alle Schreibstile zeigen einen signifikanten Mengenzuwachs bei der Textlänge zwischen dem 1. und 2. Testzeitpunkt. Es ergeben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Schreibstilen. (vgl. ebd. S. 118) „(...) in der Länge dagegen Tendenz zugunsten von GEMISCHT (...)“ (zit. ebd. S. 7)
Kommentar: Anstatt das Fehlen von Unterschieden zwischen den einzelnen Schreibstilen zu referieren, errechnet Brügelmann entweder absolute Differenzen zwischen den beiden Testzeitpunkten, oder stützt sich auf die Mittelwerte zum zweiten Testzeitpunkt, um in einer vom Original abweichenden Interpretation „Tendenzen“ zu behaupten, die statistisch nicht verifizierbar sind.

2.4.6 Verfassen eines Textes: Inhaltliche Qualität

Morin et al. (2012) Brügelmann (2015c)
Alle Schreibstile zeigen einen signifikanten Zuwachs bei der inhaltlichen Qualität zum zweiten Untersuchungszeitpunkt. Die einzelnen Schreibstile unterscheiden sich nicht signifikant voneinander. (vgl. ebd. S. 118) „(…) in der inhaltlichen Qualität zugunsten von DRUCKSCHRFIT.“ (zit. ebd. S. 7; Falschschreibung im Original)
Kommentar: Brügelmann „errechnet“ sich hier wahrscheinlich den größten Zuwachs für den Druckschriftstil zwischen beiden Testzeitpunkten, der jedoch vom Mittelwert her, das niedrigste Einzelergebnis zum zweiten Testzeitpunkt erreicht (gemischter Schreibstil 4,85; verbundener Schreibstil 4,73, Druckschriftstil 4,65; vgl. Morin et al, 2012: 118). Wiederum ignoriert Brügelmann die statistische Aussage und konstruiert eine „Tendenz“.

Die obigen Beispiele belegen, dass Brügelmann in seiner Darstellung der Studie von Morin et al. (2012) sachlich falsche Aussagen tätigt, sich in nicht mehr vertretbarem Maß vom Originaltext und den Aussagen der Autoren entfernt, statistisch signifikante Ergebnisse unterschlägt und dafür der Leserschaft höchst subjektive und zweifelhafte Neuinterpretationen des Datenmaterials präsentiert.

Fazit

Auch nach der von Professor Brügelmann durchgeführten Revision seines Ursprungsartikels finden sich in der Nachfolgeversion weiterhin erhebliche qualitative Mängel. Man darf sich getrost von der Annahme verabschieden, dass die dargebotenen tabellarischen Studienzusammenfassungen (vgl. Brügelmann, 2015c:2 Tabelle 1 und Tabelle 2) verläßlich seien. Dies begründet sich schon durch die undifferenziert summative Darstellung völlig unterschiedlicher Untersuchungsebenen wie Buchstaben-, Wort- und Textschreibung, die undifferenziert vermischt werden. Die Art und Anzahl der beschriebenen Mängel belegen eine unzureichende wissenschaftliche Exaktheit in der Arbeitsweise und Veröffentlichungspraxis von Prof. Brügelmann. Die inhaltliche Analyse kann nachweisen, dass Brügelmanns Darstellung und Interpretation von mehreren Studien in erheblichen Maß tendenziös und verzerrend erfolgt.

Weiterhin muss die Frage erlaubt sein, ob die so entschlossen wirkende Irreführung der Leserschaft durch Professor Brügelmanns fehlerbehaftete Darstellungen etwa im Interesse des Grundschulverbandes e.V. respektive der Projektgruppe Grundschrift liegt.

Literatur



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