Wissenschaftlich Zweifelhaftes: Kapitelüberblick

Da sich in den Unterkapiteln im Abschnitt "Wissenschaftlich Zweifelhaftes" zum Grundschriftkonzept mittlerweile einige Informationen angesammelt haben, dient dieses Kapitel als Kurzzusammenfassung für Personen, die nicht sämtliche Originalkapitel lesen wollen oder an einem Überblick interessiert sind.

Das Kapitel "Über die Vereinfachte Ausgangsschrift" informiert über die von der Vorläuferorganisation des Grundschulverbandes e.V. mitinitiierte Schriftvariante, deren Scheitern auf breiter Linie (keine verbesserte Rechtschreibkompetenz, Verfall der Leserlichkeit, unzureichende Eignung für ein beschleunigtes Schreiben)[1] mittlerweile konstatiert werden kann. Die unzureichende wissenschaftliche Ausarbeitung der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA), deren Erfinder Grünewald auch vor der Veröffentlichung falscher Untersuchungsergebnisse nicht zurückgeschreckte, findet aktuell möglicherweise eine historische Wiederholung in den theoretisch wie empirisch spärlichen Ausarbeitungen des Grundschulverbandes zur Grundschrift wie auch in den überzogenen Effizienzerwartungen hinsichtlich der Verwendung der Grundschrift. Wie auch bei der VA können berechtigt anzweifelbare Argumentationslinien und Behauptungen festgestellt werden, die in den folgenden Kapitelabschnitten näher dargestellt werden. Es hat den Anschein, als ob aktuell ein weiteres Mal die strategische Nutzung und Verbreitung von Pseudoargumenten zur Etablierung einer neuen Schulschriftvariante in Deutschland eingesetzt werden soll. Und es steht bedauerlicherweise zu erwarten dass - wie bereits bei der VA - seitens der Kultusministerien keine gewissenhafte Überprüfung erfolgt.

Das Kapitel "Absetzen nach 2-3 Buchstaben"" setzt sich mit der von Grundschriftbefürwortern immer wieder angeführten Behauptung auseinander, routinierte Schreiber würden nicht mehr als 2- 3 Buchstaben miteinander verbinden, weshalb es auch nicht nötig sei, Grundschülern einen höheren Verbindungsgrad beim Schreiben beizubringen. Anhand einer Auflistung und diesbezüglichen Zitatenreihe von 1988 bis 2013 wird nachgewiesen, dass die Behauptung über den geringen Verbindungsgrad routinierter Schriften auf einer extrem schmalen empirischen Basis fußt und durch eine Strategie des beharrlich-wiederholten Selbst- und Fremdzitierens ohne ausreichende Verbreiterung der empirische Grundlage argumentativ stark aufgebläht wird. Aus empirischer Perspektive bedient sich der Grundschulverband hier eines durch Studienbelege nicht ausreichend abgesicherten Scheinargumentes und eines bislang unzureichend nachgewiesenen Zusammenhangs zwischen behaupteter Muskelentspannung und Schriftzugunterbrechung. Inhaltlich erfolgt seitens der Grundschriftbefürworter keine kritische Abgrenzung zur hochgradig plausiblen Alternativthese eines silbenorientierten Schreibens, durch das zeitliche Verzögerungen im Schriftzug zustande kommen. Für diese Alternativhypothese liegen belastbare empirische Ergebnisse [2] durchaus vor, werden aber vom Grundschulverband nach bisherigem Kenntnisstand nicht angemessen berücksichtigt.

Im Kapitel "Bruchstellen in Theorie und Praxis" wird aufgezeigt, dass das Grundschriftkonzept sich recht einseitig mit einem einzigen Aspekt des Schreiberwerbs ("language by hand") beschäftigt. Mögliche Wechselwirkungen mit anderen Bereichen des Schreiberwerbs (language by ear, language by mouth, language by eye) werden nicht thematisiert. Sonstige mögliche Wechselwirkungen mit anderen Aspekten des Schriftsprachererwerbs (z.B. der Qualität schriftsprachlicher Äußerungen, des Lesenlernens, der Befähigung zum Erlesen von verbundener Schrift, der Rechtschreibkompetenz usw.) werden ebenfalls nicht mitbedacht oder im Sinne einer Nebenfolgenabschätzung auch nur ansatzweise thematisiert. Dies ist ein weiterer Beleg für die bereits früher bescheinigte Amateurhaftigkeit [3] und Eindimensionalität der Ausarbeitung des Grundschriftkonzeptes. Das Kapitel verweist dann auf theoretisch ableitbare Bruchstellen zwischen theoretischen Vorstellungen und schulischer Alltagsrealität bei vorrangiger Nutzung einer Druckschrift. Entsprechend vorhersagbare Bruchstellen werden auf drei Ebenen skizziert: (a) es zeigen sich deutliche Hinweise auf eingeschränkte feinmotorischer Fertigkeiten von Druckschriftschreibern; (b) die Ausführung von Buchstabenverbindungen erfordert bei druckschriftsozialisierten Schülern eine aktive und nachhaltige Vermittlung, da sich das Verbinden von Druckbuchsstaben Schülern aus der Buchstabengestalt/Bewegungsausführung alleine nicht erschließt; (c) es werden Hinweise angeführt, die für eine eingeschränkte Befähigung zum Erlesen verbundener Schriften spechen, wenn eine primär druckschriftbasierte Schreibsozialisation stattfand.

Das Kapitel "Professor Menzel forscht" zeigt an exemplarischen Textstellen die Fragwürdigkeit der von diesem berichteten "Forschungsergebnisse" auf, zu denen keine einzige Literaturangabe, Studienbeschreibung oder Datensammlung vorgelegt wird. Obwohl Menzels Aussagen im Detail nicht überprüfbar und folglich im wissenschaftlichen Sinn wenig belastbar sind, werden sie im Publikationsorgan des Grundschulverbandes unter der Rubrik "Aus der Forschung" positioniert. Weiterhin wird aufgezeigt, wie Menzel versucht, durch das substanzlose Scheinargument der "absoluten Verbundenheit" den qualitativen Unterschied zwischen druckschriftangelehntem und verbundenen Schreiben definitorisch einzuebnen. Mit diesem "definitorischen Kabinettstückchen" isoliert sich Menzel eindeutig vom internationalen wissenschaftlichen Mainstream zur Schreibforschung, was aber wiederum keine inhaltlichen Irritationen bei Grundschriftbefürwortern auszulösen scheint.

Im Kapitel "Lineaturen hinderlich?" wird aufgezeigt, wie die Grundschriftbefürworterin Frau Mahrhofer-Bernt die Aussagekraft von Studienergebnissen [4] in verschiedenen Veröffentlichungen [5] inhaltlich überdehnt. Es wird aufgezeigt, wie dadurch der Boden inhaltlich korrekter Studieninterpretation und damit einer verantwortungsvollen Informationsvermittlung verlassen wird, um die vermeintliche Überflüssigkeit von dreizeiligen Lineaturen zu "belegen". Es zeigt sich in diesem Zusammenhang ein Muster des Überziehens oder Aufblähens von isolierten Einzelbefunden, das als rhetorische Strategie (siehe oben 2-3 Buchstaben; die Ausführungen von Professor Menzel; siehe unten die Ausführungen von Professor Brügelmann) in der Argumentationsführung der Grundschriftbefürworter häufig angewendet wird. Kontrastierend werden Erfahrungen aus einer baden-württembergischen Erprobungsschule der Grundschrift angeführt, in der sich die Verwendung der dreizeiligen Lineatur beim Erlernen der Grundschrift als notwendig erwies, um ein klares Verständnis der Proportionen von Ober- und Unterlängen bei Schreibern in Klasse 1 zu gewährleisten.

Im Kapitel ""Ökonomisierungsstreben" wird unterschieden zwischen a) dem Ökonomiemotiv bei der Ausgestaltung von Schreibschriften und b) dem Ökonomisierungsstreben als Motiv von Lehrkräften bei der Schreiberziehung. Hinsichtlich des Ökonomiemotivs bei der Konzeption von Schreibschriften wird auf einen theoretisch ableitbaren Zielkonflikt zwischen der Verkürzung der Schreibspur durch die Nutzung eines Druckschriftalphabets und daraus resultierenden erhöhten Schwierigkeiten beim Verständnis und der Umsetzung von Buchstabenverbindungen im Hinblick auf ein teilverbundenes Schreiben hingewiesen. Belegt wird dieser zu erwartende Zielkonflikt durch Praxiserfahrungen mit der schweizer Basisschrift. Hinsichtlich des Ökonomisierungsstrebens als Motiv von Lehrkräften wird zunächst über die naiv anmutende Begründung von Bartnitzky informiert, die von Hoffnungen auf einen Effizienzgewinn getragen ist. Da ein möglicher Effizienzgewinn vom Grundschulverband argumentativ gerne als Werbeargument behauptet wird, wird durch einen erneuten Rekurs auf Erfahrungen mit der schweizer Basisschrift auf diesbezüglich möglicherweise weit überhöhte Effizienzerwartungen verwiesen.

In den drei Kapiteln "Unwahres von Prof. Brügelmann" wird auf eine Vielzahl von inhaltlichen Fehlern und Unklarheiten aufmerksam gemacht, die in der ursprünglichen Veröffentlichung von Brügelmanns Artikel "Von der Druckschrift zur persönlichen Handschrift" zu finden sind. Ausgehend von der am 15.05.2015 veröffentlichten Erstversion des Artikels können die Fehler wie folgt zusammengefasst werden.

Unwahre oder erfundene Aussagen

Fehlerhafte Darstellungen Stark tendenziöse und wissenschaftlich anzweifelbare Interpretation Verwendung von grauer Literatur, die als verläßlicher empirischer Befund gewertet wird

Sämtliche der dargestellten Fehler / Unklarheiten werten die Druckschriftschreibung auf oder Verdecken mögliche Vorteile eines kursiv-verbundenen Schreibens, weshalb geschlussfolgert werden kann, dass Brügelmann mit hoher wahrscheinlichkeit an einer absichtsvollen systematischen Fehlinformation der Leserschaft gelegen sein muss. Es wird daher dringend davon abgeraten, sich auf die von Brügelmann getätigten Darstellungen zu verlassen. Da dieser extrem fehlerbehaftete Artikel auf der Internetseite www.die-grundschrift.de weiterhin veröffentlicht wird (Stand 07. 05.2016), muss davon ausgegangen werden, dass auch dem Grundschulverband e.V. - dem die oben angeführten Kritikpunkte bekannt sind - an einer systematischen Verbreitung von unwahren Sachverhalten gegenüber der Leserschaft gelegen ist.

Das Kapitel "Rhetorisch, veraltet, schwach fundiert" widmet sich den Beschreibungen der Grundschriftbefürworter über die Entstehungsbedingungen des Grundschriftkonzeptes und unterzieht diese einer kritischen Analyse. Hierbei wird auf offensichtlich rhetorische Argumentation hingewiesen. Es werden die eher schmalen und unterrichtspraktischen Erfahrungen angeführt, für die keine vergleichenden systematischen Datenerhebungen vorliegen. Weiterhin wird auf die Defizite der Studie von Mahrhofer 2004 verwiesen, die als bedeutsame wissenschaftliche Basis der Grundschriftbefürworter verstanden werden muss. Das Kapitel beschreibt, wie schmal und wenig belastbar die "Basis" des Grundschriftkonzeptes gestaltet ist, aus der die Projektgruppe Grundschrift glaubt, eine Schriftdidaktik entwickeln zu können. Insbesondere die Gültigkeit des Werbeslogans "Damit Kinder besser schreiben lernen" kann aus den beschriebenen "Grundlagen" nicht schlüssig hergeleitet werden.

Das Kapitel "Heckers dilettantische Definitionsversuche" stellt im Jahr 2016 veröffentlichte Definitions- und Begriffsverzerrungen zu den Begriffen Schreibschrift, Druckschrift und Verbundene Schrift vor. Ulrich Hecker blamiert sich erheblich bei seinem dilettantischen Versuch, die angeführten Begriffe inhaltlich neu abzustecken. So führt seine Definition von Schreibschrift zu einem massiven inhaltlichen Konflikt mit der international geteilten Begriffsauffassung und mündet letztlich in der inhaltsentleerten Aussage: "Schreibschrift liegt vor, wenn Kinder mit der Hand schreiben". Hecker gelingt es auch nicht, die Begriffe Verbundene Schrift und Druckschrift trennscharf und widerspruchsfrei zu definieren. Das Kapitel führt aus, auf welch qualitativ minderwertigem Niveau durch Hecker versucht wird, auf verantwortungslose Art und Weise bedeutungsentleerte Wort- und Definitionshülsen zu etablieren, mit denen die Produktplatzierung der Grundschrift vorangetrieben werden soll.

Endnoten



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