Wie Professor Menzel für den Grundschulverband das verbundene Schreiben wegdefiniert

Die Ausgangslage

In verschiedenen Veröffentlichungen befasst sich Professor Menzel, dessen Emeritierung im Jahr 2000 erfolgte, mit dem Themenbereich verbundene versus unverbundene Ausgangsschrift:

Hierbei fällt auf, dass Menzel ausschließlich in seinem Artikel aus dem Jahr 2012 eine einzige (!) Literaturangabe in Form des Sammelbands zur Grundschrift (Bartnitzky, Hecker, Mahrhofer-Bernt 2011) anführt, ohne durch eine nähere Seitenangabe einen genauen inhaltlichen Bezug herzustellen. In allen drei vorauslaufenden Veröffentlichungen findet sich keine einzige Literaturangabe. Die Artikel aus dem Jahr 2010 und 2011 sind hinsichtlich der Überschrift wie auch inhaltlich in weiten Passagen deckungsgleich, so dass im Folgenden nur der Artikel aus dem Jahr 2010 zitiert wird.

Die Darstellungen von Menzel in qualitativer Bewertung

Die Veröffentlichung aus dem Jahr 2010 (Plädoyer für eine Schrift ohne normierte Verbindungen) enthält – wie auch die Folgeveröffentlichung mit gleichem Titel aus dem Jahr 2011 - keine einzige Literaturangabe, obwohl Menzels Beitrag im Veröffentlichungsorgan des Grundschulverband e.V. »Grundschule aktuell« unter der Rubrik „Aus der Forschung” publiziert wird.


Menzel (2010) berichtet wie folgt:

„In kleinen Forschungsunternehmungen an der Universität untersuchten wir dann die Schriften von Kindern und Studierenden, wobei wir die besondere Aufmerksamkeit auf sog. »unverbundene« Schriften legten. Wir legten Schriftensammlungen an und befragten die Schreiber der Schriften.” (zit. ebd. S. 23)

Kommentar: Bei fehlender Literaturangabe ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die »kleinen Forschungsunternehmungen« noch nicht einmal den Status einer Examens- oder Zulassungsarbeit geschweige denn einer Dissertation hatten. Dem Leser werden Angaben zu Anzahl und Auswahl der Untersuchungspersonen, zu Art und Menge des Geschriebenen, zum jeweiligen Erhebungszusammenhang wie auch das Datenniveau (z.B. Schreiben mit oder ohne Zeitmessung, mit oder ohne Videoaufnahme) vorenthalten.

„Wir haben mit Studierenden und Lehrenden in der Lehrerfortbildung erprobt, wie rasch sie kleine Texte in unverbundener Schrift schreiben können, und wir erfuhren dabei, dass selbst Ungeübte nach einigen Versuchen nahezu genauso schnell »drucken« konnten wie verbunden schreiben.” (zit. ebd. S. 23f)

Kommentar: Auch hier wird »erprobt«, aber nicht systematisch untersucht. Und die abgeleitete Erkenntnis ist eigentlich vorhersagbar, da sie veranschaulicht, dass erwachsene (angehende) Akademiker, die einen ausreichenden Automatisierungsgrad beim verbundenen Schreiben erreicht haben, auch ohne größere Probleme Druckschrift schreiben können. Nun berichtet Menzel, dass dies nach kurzer Übung sogar fast gleich schnell möglich sei. (»Gleich schnell« weist darauf hin, dass es eine vergleichende Zeitmessung gegeben haben dürfte, deren Ergebnisse jedoch wiederum nicht angeführt werden.) Dies bedeutet, dass durch eine Sozialisation im verbundenen Schreiben flexible motorische Ausführungsprogramme erworben werden, durch die verbundene Schrift wie auch Druckschrift ähnlich gut hinsichtlich der Geschwindigkeit realisiert werden kann. Die viel interessantere Frage im Hinblick auf das Potential zur Weiterentwicklung einer verbindungslosen Schrift (siehe hierzu die Artikelüberschrift von Menzel 2010) wäre aber, ob durch einen hohen Automatisierungsgrad bei ausschließlicher Druckschriftsozialisation auch ein verbundenes Schreiben durch einen ebenso geringen Übungsaufwand erreicht werden könnte. Dies entspräche einer wechselseitigen Überführbarkeit. Die Möglichkeit der unmittelbaren Überführung einer druckschriftsozialisierten Schreibweise in ein überwiegend verbundenes Schreiben muss jedoch als sehr unwahrscheinlich angesehen werden.

„Die Aufmerksamkeit richtete sich auch auf unverbundene Alltagsschriften Erwachsener. Dabei ermittelten wir die in diesen Schriften sichtbaren »Lücken« zwischen einzelnen Buchstaben, die von einem Buchstaben bzw. von einer Buchstabengruppe zu einer anderen »übersprungen« worden sind. Es stellte sich heraus, dass die meisten Wörter von solchen »Lücken« bestimmt sind. Einige Buchstaben werden zwar fast immer miteinander verbunden, aber es sind in der Regel nicht mehr als zwei oder drei.” (Menzel 2010: 24; Hervorhebung durch den Verfasser)

Kommentar: Menzel berichtet eine Sichtanalyse an vorrangig unverbunden ausgeführten Alltagsschriften Erwachsener, welche ergab, dass jene zu einem höheren Grad der Nichtverbindung von Buchstaben neigen. Welche Buchstabenkombinationen in welchen Häufigkeiten eher verbunden bzw. eher getrennt geschrieben werden, wird nicht angeführt. Hier hätte Menzel eigentlich eine dringend notwendige Erweiterung der defizitären Datenlage von Mai (1991) schaffen können. Ob die verbunden ausgeführten Buchstaben eher Silbenstrukturen abbilden, verbleibt mangels Analyse ebenfalls unklar. Wenn Menzel die Menge von 2-3 Buchstaben als häufigste Verbindungsmenge anführt, dann hätte er zumindest auch ein wenig auszählen können, um seine Verbindungshäufigkeiten ins Verhältnis zu Wortlängen und Silbenstrukturen setzen zu können. Aber auch hier scheint Menzel nicht an Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit interessiert zu sein, wenn er die von ihm erhobenen Daten nicht spezifischer aufbereitet. Das Fazit diese Untersuchungsbeschreibung wäre somit: Erwachsene, die für sich eine unverbundene Schreibweise entwickelt haben, lassen zwischen Buchstaben in Wörtern Lücken. Dies kann als Ergebnis als belanglos und inhaltlich bereits als Zirkelschluss eingestuft werden.


Menzel setzt in der Folge durch ein Scheinargument zum Angriff auf die Unterscheidbarkeit von verbundener und modular ausgeführter Schrift an:

„Viele Einzelbuchstaben können auch in Schriften, die sich noch so verbunden darstellen, ohne »Sprungstelle« gar nicht realisiert werden, wie manche Großbuchstaben (T, B,…) oder die Kleinbuchstaben mit ihren i- und Umlautpunkten bzw. mit t- oder f-Strichen. (…) Was sich also auf den ersten Blick wie eine verbundene Schrift liest, ist durchaus nicht dem Kriterium der absoluten Verbundenheit beim Schreiben unterworfen, auch nicht beim offenbar flüssigen und raschen Schreiben. Unsere Schlussfolgerung war: Es gibt eigentlich keine »verbundenen« und »unverbundenen« Schriften sondern nur Schriften mit oder ohne auf dem Papier realisierte [sic] Schreibspuren. (…) Die Begriffe »Druckschrift« und »Schreibschrift« wurden in unseren Untersuchungen fortan als untauglich für die Beschreibung dessen, was sich beim Schreiben vollzieht, aufgegeben. Von Hand geschriebene Alltagsschriften sind eben nicht gedruckt; sie sind mit oder ohne gespurte Bewegungslinien geschrieben.” (ebd.: 24; Hervorhebung durch Fettschrift und eckige Klammern durch den Verfasser sonstige Hervorhebungen im Original)

Kommentar: Es erscheint etwas erstaunlich, dass es Professor Menzel nicht bereits in seiner Grundschulzeit klar wurde, dass das gebräuchliche lateinische Alphabet dem Schreiber gewisse Stiftabhebungen abfordert, um seine Buchstabengestalten angemessen zu realisieren. Menzel führt nun den Begriff „Kriterium der absoluten Verbundenheit“ ein, um dann sinngemäß weiter wie folgt zu argumentieren: Verbundenes Schreiben darf nur dann berechtigt »verbunden« genannt werden, wenn alle Buchstaben in sich und miteinander vollkommen verbunden geschrieben werden können. Menzel demonstriert mit seiner Argumentation, dass er das Wesen wie auch den Sinn und Zweck einer verbundenen Ausgangschrift, die als Ausgangsform ein zu erwerbendes Bewegungsinventar für eine später individualisierte Erwachsenenhandschrift zur Verfügung stellt, wohl grundlegend nicht verstanden hat. Weiterhin verstößt Menzel mit seinem Scheinargument gegen die Metanorm „Sollen impliziert Können“, wenn er vom lateinischen Alphabet (und seinen Schreibern) „absolute Verbundenheit“ fordert, die mit diesem Formeninventar nicht realisiert werden kann. Weil die lateinische Schrift keine »absolute Verbundenheit« ermöglicht, schlussfolgert Menzel nun weiter, dass verbundene und unverbundene Schriften definitorisch gar nicht voneinander abgegrenzt werden könnten. Gleichzeitig folgert er auch, dass die Begriffe „Schreibschrift“ und „Druckschrift“ untauglich sind, um Schriftbilder und Bewegungsausführungen beim Schreiben qualitativ zu beschreiben. Warum Menzel mit seiner bahnbrechend-simplifizierenden Argumentationsführung nicht längst zum Leuchtfeuer am Horizont der internationalen Schreibforschung geworden ist, mag wohl daran liegen, dass im internationalen Diskurs weiterhin die Notwendigkeit erkannt wird, Schriftarten und Schreibweisen qualitativ zu unterscheiden. Auch dürfte von Dritten das „Kriterium der absoluten Verbundenheit“ als substanzloses Scheinargument sofort erkannt werden. Ob Menzel seine „Untersuchungserkenntnisse“ einem größeren, internationalen Fachpublikum präsentiert und einen Vorstoß zur Aufhebung international üblicher Unterscheidungskategorien zwischen handgeschriebener Druckschrift und handgeschriebener Schreibschrift unternehmen wird, wird die Zukunft zeigen. Zustimmung findet er mit seiner definitorischen Gleichsetzung im Kreis der Grundschriftbefürworter (vgl. Mahrhofer-Bernt, 2011: 34; Hecker, 2010:10; Hecker, 2011: 56).

Abschließendes Fazit

Anhand der obigen Ausführungen dürfte klar geworden sein, dass die Argumentation von Menzel als ein Tiefpunkt pädagogisch-wissenschaftlichen Argumentierens eingestuft werden muss. Dies gilt sowohl für die völlig vage und im Unklaren verbleibende Form der Datenerhebung und Datenpräsentation wie auch für eine abstrus-strategisch wirkende Argumentations- und Beweisführung, mit der Menzel versucht, den qualitativen Unterschied zwischen verbunden und unverbunden angelegten Schriftarten einzuebnen. Dass den Auslassungen von Menzel im Rahmen des Grundschulverbandes immerhin zweimal ein Forum zur Veröffentlichung zugebilligt wird, lässt in diesem Fall auf einen bedauerlich niedrigen redaktionellen Standard bei »Grundschule aktuell« schließen. Auch die Herausgeber von »Grundschrift. Damit Kinder besser schreiben lernen« scheinen sich nicht weiter daran zu stören, der Leserschaft derart Oberflächliches zuzumuten.

Literatur:

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